Wertungsmusizieren

„Spiel in kleinen Gruppen“
von Stephan Flesch

Allgemeines

Das „Spiel in kleinen Gruppen“ ist eine Besetzungsform, die sich, wie der „Begriff“ bereits vermuten lässt, durch das Musizieren mit -teilweise deutlich- weniger Musikern als im Orchesterverband definiert.

Hierbei werden unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und oftmals andere Literatur, als sie im Orchester zu finden ist, ausprobiert. Jeder Akteur erhält automatisch einen direkteren Gestaltungszugang, da Stimmen fast ausschließlich solistisch konzipiert und untereinander verteilt werden.

Die Gruppengröße ist dabei variabel. Das Minimum liegt bei zwei Musikern. Das Maximum variiert auf Grund verschiedener Reglementierungen der mannigfaltigen Wettbewerbsveranstalter.

Das „Spiel in kleinen Gruppen“ wird auch als bevorzugte Besetzungsgruppe für den Unterricht und entsprechender Workshops genutzt, da Musiker hier auf verschiedenen Ebenen profitieren können. Diese Gruppenkonstellation eröffnet den Musikern oftmals Facetten, an denen sie wachsen und viel über sich selbst lernen können.

Die eigene Rolle

Innerhalb einer kleineren Gruppe hat das eigene Tun natürlicherweise mehr Gewicht. Somit nimmt jeder Akteur der Gruppe automatisch eine größere Verantwortung zum Gelingen des Gruppenziels auf sich. Die Arbeit innerhalb dieser Besetzungsform nimmt den Musiker unweigerlich (mental) „bei Seite“ und lässt ihn Erkenntnisse gewinnen, die im Einzelunterricht oder während des häuslichen Übens nicht hätten entstehen können. Denn das Reagieren auf die Signale, die „die anderen“ geben und deren Reaktion auf die eigenen Signale, sind schwer simulierbar und dabei unfassbar erkenntnisreich. Aktion und Reaktion liegen fast nirgendwo so dicht und unmittelbar beieinander und haben so großen Einfluss auf das eigene musikalische Tun als in einer kleinen Gruppe.

Unterschied zum Orchester

Ob das Ensemble mit oder ohne Dirigenten spielt, variiert genauso, wie die Frage nach der musikalischen Ausrichtung. Für die meisten Menschen liegt der „Reiz“ beim „Spiel in kleinen Gruppen“ darin, sich über das, was der Orchesterverband bietet hinaus, musikalisch ausleben zu können und andere Literatur und unterschiedliche Blickwinkel auf die Musik auszuprobieren.

Literatur, die ausschließlich für kleine Gruppen komponiert wurde, gab es nicht nur „früher“., denn nicht nur Mozart, Telemann, Vivaldi und Konsorten schrieben Musik für kleine Besetzungen. Immer mehr zeitgenössische, avanciert-subtile Kunstklangentstehungen machen neugierig auf ggf. bisher Unbekanntes oder im Orchester nicht Umsetzbares.

Innerhalb einer kleinen Gruppe ist der einzelne Musiker „näher dran“. Er kann größeren Einfluss auf das Gesamtergebnis nehmen (egal ob durch musikalisches „Tun“ oder das Formulieren verschiedener Gedanken) und trägt gleichzeitig eine große Verantwortung.

 Im Unterricht oder als Workshop-Prämisse

Ziel einer Unterrichtseinheit kann beispielsweise der Vortrag eines ausgewählten Musikstücks oder die Erlangung bestimmter Fähigkeiten sein. Der Weg zum Ziel clustert Erkenntnisgewinne, die im Einzelunterricht nicht (oder nur schwer) in dieser Form erreicht werden können. Denn als Teil einer Gruppe, liegt der Fokus nie allein bei einem selbst. Das ständige Vergleichen, Abstecken und Inspirieren schwingt immer (oftmals unterschwellig) mit.

Natürlich sollte dies im Orchesterverband (hier werden grundsätzlich ebenfalls Ziele erarbeitet) auch so sein. In einer kleineren Grupe geschehen das Reflektieren und die Möglichkeit zur unmittelbaren Umsetzung jedoch direkt, ungefiltert und meist mit größerer Rückmeldungs-Bereitschaft der anderen Musiker, was, natürlich gesteuert durch den Unterrichtenden, für alle Beteiligten eine gewinnbringende Atmosphäre kreieren kann.

Die Gedankenkette „so klinge ich – so klingt der andere – wo liegt der Unterschied? – was muss ich verändern oder beibehalten?“ ist hierbei Werkzeug des Unterrichtenden und Mittel zur Selbstreflexion zugleich. „Learning by doing and watching“ sozusagen.

Wissenstransfer wird hierbei methodisch und didaktisch auf die Besetzungsform „Spiel in kleinen Gruppen“ abgestimmt und im laufenden Unterricht oftmals angepasst und modifiziert. Denn die Vorbereitung darf keinen einzig vorgefertigten, statischen Methodenkatalog vorsehen, der linear zum Ziel führt, da unterschiedliche Gruppendynamiken und Fähigkeiten der Teilnehmenden das Erreichen des Ziels nur auf dynamische Art und Weise ermöglichen.

Somit hängt das Gelingen auch davon ab, wie der Unterrichtende seine gesteckten Ziele durch Reagieren auf entstehende Situationen zu erreichen versucht.

Hier geht es zur Wertungsspielordnung „Spiel in kleinen Gruppen“ des VMB NRW.